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Initiative für Ernährungssicherheit: Bauernverband präzisiert Ziele
19.11.2015 – (lid) – Zu offen, zu unklar: Dem Bauernverband wurde verschiedentlich vorgeworfen, nicht klar offenzulegen, was er mit seiner Volksinitiative anstrebe. Nun hat er seine Absichten konkretisiert – mit einer Charta.
Gerade mal zwei Sätze umfasst das Volksbegehren „Für Ernährungssicherheit“ des Schweizer Bauernverbands (SBV). Zu offen formuliert sei der Initiativtext, zu unklar die Ziele, welche die Landwirtschaft damit verfolge, bemängelten Kritiker. Wirtschaftskreise befürchten, dass die Bauern mehr Grenzschutz anstreben; Ökokreise glauben, dass die Bauern weniger für die Ökologie tun wollen.
Der Vorstand des SBV hat deshalb eine Charta ausarbeiten lassen, worin die Ziele konkretisiert werden. 17 Punkte enthält die Schrift, welche heute von den SBV-Delegierten an ihrer Versammlung in Bern verabschiedet wurde. Man wolle damit die Deutungshoheit über die Volksinitiative behalten, sagte SBV-Präsident Markus Ritter. In der Charta wird unter anderem gefordert, dass die Bauern ein Einkommen erzielen sollen, das mit jenem anderer Berufe vergleichbar ist. Man wolle nicht die „Working Poor“ der Gesellschaft werden, sagte Francis Egger vom SBV. Grenzschutz sei wichtig für die Landwirtschaft, heisst es weiter in der Charta, eine Ausweitung werde aber nicht verlangt. Auch die Ökoausgleichsflächen werden nicht in Frage gestellt. Diese seien unbestritten, stellt der SBV klar, allerdings müssten die entsprechenden Leistungen angemessen abgegolten werden.
Der Bauernverband hat seine Volksinitiative, die von rund 149‘000 Personen unterschrieben wurde, im Juli 2014 bei der Bundeskanzlei eingereicht. Wann sie zur Abstimmung kommt, ist derzeit noch unklar. Urs Schneider, Vizedirektor SBV, hält einen Termin im Frühjahr 2017 für wahrscheinlich. Der SBV arbeitet derzeit eine Vorkampagne aus, zwei Monate vor dem Urnengang wird dann die Hauptkampagne lanciert. Laut Schneider wolle man langfristig auf einen Erfolg an der Urne hingearbeitet. „Säen und ernten“ heisst die Strategie. Gemäss Schneider sollen positive Botschaften ausgesandt werden wie beispielsweise folgende Slogans: „Genuss aus der Heimat bewahren“ oder „Zukunft der Schweizer Nahrungsmittelproduktion sichern“. SBV-Präsident Markus Ritter bezeichnete die Volksinitiative als „Schlüsselprojekt“ der Schweizer Landwirtschaft, mit der die Weichen in der Agrarpolitik langfristig gestellt werden sollen. Er zeigte sich überzeugt, dass das Thema Ernährungssicherheit künftig an Bedeutung gewinnt. „In der reichen Schweiz vergisst man gerne, dass immer ausreichend Essen zu haben, keine weltweite Selbstverständlichkeit ist“, betonte Ritter.
Nebst der Volksinitiative waren die Sparpläne des Bundes Thema der heutigen SBV-Delegiertenversammlung. Markus Ritter sprach von einem „Hammerschlag“, „Affront“ und von einem „Verstoss gegen Treu und Glauben“. „Schon seit über einem Jahr setzt der Bundesrat bei allen möglichen und unmöglichen Gelegenheiten bei der Landwirtschaft den Rotstift an“, erklärte Ritter. Die Landwirtschaft sei der einzige Bereich des Bundeshaushalts, bei dem die Mittel effektiv gekürzt würden. Bundesrat Schneider-Ammann warf Ritter Wortbruch vor: „In der parlamentarischen Debatte zur Agrarpolitik 2014-17 hat er x-Mal betont, dass die Landwirtschaft mit dieser Reform mehr leisten müsse, dafür aber mit einer gleichbleibenden Unterstützung rechnen könne“, kritisierte Ritter.
Wegen den tiefen Produzentenpreisen bei der Molkereimilch und beim Zucker sowie einer ungewissen Zukunft des Rapsanbaus hat der Berner Bauernverband einen Antrag eingereicht, der von den SBV-Delegierten gutgeheissen wurde. Damit ist der SBV verpflichtet, die bäuerliche Interessenvertretung zu bündeln, Synergien zu nützen und die Gespräche mit Marktakteuren zu intensivieren. Man müsse den maximal möglichen Druck gegenüber Verarbeitern und Händlern aufbauen, forderten die Berner Bauern.
Schliesslich standen Wahlen auf der Traktandenliste: Neu in den Vorstand gewählt wurden Thomas Roffler (Präsident Bündner Bauernverband), Fritz Waldvogel (Präsident Glarner Bauernverband), Claude Baehler (Präsident Prométerre), Pierre‐André Geiser (Verwaltungsratspräsident Fenaco) sowie Christian Galliker (Vizepräsident der Junglandwirtekommission). Weitere elf Wechsel gab es in der Landwirtschaftskammer.
Im Anschluss an die statutarischen Geschäfte referierte Aggrey Mahanjana, Präsident der Organisation der kleinen und mittleren Familienbetriebe in Südafrika, zur Bedeutung der Familienbetriebe für die Ernährung der Weltbevölkerung.