Main Content
Nationalrat: Cassis-de-Dijon-Prinzip soll bei Lebensmitteln nicht mehr gelten
06.05.2015 – (lid) – Der Nationalrat hat sich heute deutlich dafür ausgesprochen, das Cassis-de-Dijon-Prinzip für Lebensmittel aufzuheben. Die Vorlage geht nun in den Ständerat.
Der Nationalrat hat heute mit 109 zu 65 Stimmen bei 8 Enthaltungen beschlossen, das Cassis-de-Dijon-Prinzip bei Lebensmitteln aufzuheben. Dieses wurde im Juni 2010 einseitig eingeführt. Seither dürfen Produkte, die nach den geltenden Vorschriften der EU hergestellt werden, auch in der Schweiz verkauft werden – ohne zusätzliche Auflagen. Bei Lebensmitteln braucht es dazu noch die Bewilligung des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV). Der Bundesrat sah im Cassis-de-Dijon-Prinzip ein Mittel im Kampf gegen die Hochpreisinsel Schweiz. Auf 2 Mia. Franken schätzte die Landesregierung damals die Einsparungen für die Konsumenten. Diese Erwartungen wurden indes nicht erfüllt. Bislang wurden 179 Gesuche gestellt, wie die Nachrichtenagentur SDA eine Statistik des BLV zitiert. Davon wurden 47 bewilligt und 36 abgelehnt.
Die Landwirtschaft lief von Anfang an Sturm gegen das Cassis-de-Dijon-Prinzip. Bauernverbandsdirektor und FDP-Nationalrat Jacques Bourgeois reichte deshalb im Dezember 2010 eine Parlamentarische Initiative ein, worin er die Aufhebung des Cassis-de-Dijon-Prinzips bei Lebensmitteln forderte. Begründung: Das Cassis-de-Dijon-Prinzip gefährde die Qualitätsstrategie der Landwirtschaft.
Der Schweizer Bauernverband (SBV) zeigt sich in einer Stellungnahme erfreut über den Entscheid des Nationalrates. Das Cassis-de-Dijon-Prinzip führe dazu, dass die Schweizer Standards unterlaufen würden. „Rund die Hälfte der unter dem Cassis-de-Dijon-Prinzip bewilligten Lebensmittel zeichnen sich dadurch aus, dass sie im Vergleich zu den schweizerischen Vorschriften mehr Wasser, Stärke, Zusatzstoffe, Aromastoffe oder höhere Fremdstoffgehalte (Pestizide, Aflatoxine etc.) aufweisen.“ Das Schlimmste dabei sei, dass die Konsumenten die entsprechenden Produkte nicht erkennen könnten, da die veränderte Zusammensetzung nicht deklariert werden müsse.
Die Stiftung für Konsumentenschutz sieht dies anders. Zwar habe das Cassis-de-Dijon-Prinzip nicht die erwarteten grossen Einsparungen gebracht. Dennoch sei es sinnvoll, an diesem Prinzip festzuhalten. Es helfe, den abgeschotteten Schweizer Markt ein wenig zu öffnen. Entgegen den Befürchtungen sei der Schweizer Markt nicht von minderwertigen Produkten überschwemmt worden.
GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy bezeichnete den Entscheid der grossen Kammer als protektionistisch. Zahlen würden dafür einerseits die Konsumentinnen und Konsumenten über höhere Preise und andererseits die Angestellten im Detailhandel, die wegen des Einkauftourismus ihre Arbeitsplätze verlieren würden. Der Vorwand der Qualitätssicherung sei absurd.