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Schwierige Zeiten für Emmentaler Bauern
11.03.2015 – (lid) – Bauern im Emmental erhielten im letzten Jahr weniger Direktzahlungen vom Bund. Erschwert wird die Situation durch den aktuell tiefen Milchpreis. Die Lage sei ernst, beklagen die Bauern.
Ernst Aegerter bewirtschaftet in dritter Generation den Hof Gerbe in Schangnau BE. 16 Hektaren Kulturland, 16 Milchkühe, Rinder, Kälber und Schweine – es ist ein für das Emmental typischer Landwirtschaftsbetrieb. Diese sind etwas kleiner als im Schweizer Durchschnitt, das Einkommen erwirtschaften die Emmentaler Bauern vor allem mit der Produktion von Milch und Fleisch. Im nächsten Jahr wird Aegerter 65 Jahre alt, dann will er den Hof an die vierte Generation übergeben, an seinen Sohn Simon. Trotz geregelter Hofnachfolge blickt Aegerter mit grosser Sorge in die Zukunft. Grund dafür ist ein Brief von letztem Dezember, der die Abrechnung der Direktzahlungen enthielt. „Ich habe zwar gewusst, dass es Änderungen geben wird, nicht aber in diesem Ausmass“, sagt Aegerter im Rahmen einer Medienorientierung, zu der die Lobag heute eingeladen hat. Für Aegerter gab es im letzten Jahr 6‘000 Franken weniger vom Bund. Wenn er gleich weitermacht wie bisher, drohen ihm in ein paar Jahren Einbussen von bis zu 12‘000 Franken, hat Aegerter ausgerechnet. Der Hof würde damit zu wenig abwerfen, um alleine vom Bauern zu leben. Sohn Simon müsse wohl einem Nebenerwerb nachgehen.
So wie Aegerter erging es vielen Emmentaler Bauern. Erhielten sie 2013 noch Direktzahlungen in der Höhe von 106 Mio. Franken, waren es im letzten Jahr 8 Mio. Franken weniger (-7,5%). Verantwortlich für den Rückgang ist die neue Agrarpolitik, die seit Anfang 2014 in Kraft ist. Im Rahmen des umfassend revidierten Direktzahlungssystem mit den neuen Beitragstypen wird zwar gleich viel Geld ausgeschüttet wie bislang, allerdings nach einem neuen Verteilschlüssel. Bauern, die mehr für die Ökologie tun, erhalten im neuen System mehr Geld, während es für Betriebe mit intensiver (Tier-)Produktion weniger Direktzahlungen gibt. Das bekommen nun die Emmentaler Bauern mit ihrer auf Milch und Fleisch ausgerichteten Landwirtschaft zu spüren.
Die Bauern im Emmental leiden aber nicht nur unter dem Rückgang der Direktzahlungen, sondern auch unter den aktuell tiefen Milchpreisen. Heinz Kämpfer, Präsident von Landwirtschaft Emmental, spricht von einem „regelrechten Sturzflug“ des Milchpreises. Erhielten die Bauern im letzten Jahr noch 62 Rappen pro Kilo, sind es aktuell noch 48 Rappen pro Kilo. Der Milchpreis decke, so Kämpfer, die Produktionskosten nicht, die Situation sei sehr angespannt. Die Bauern seien verunsichert, würden von Existenzängsten geplagt. „Wenn es nicht gelingt, in der nächsten Zeit an der Situation Korrekturen vorzunehmen, sieht es für die Emmentaler Volkswirtschaft nicht gut aus“, sagt Kämpfer. Fritz Rüfenacht, Präsident Volkswirtschaftskommission der Regionalkonferenz Emmental, pflichtete bei: Gehe es der Landwirtschaft schlecht, gehe es auch dem Emmental schlecht. Denn die Landwirtschaft sei von zentraler Bedeutung für das Emmental: Sie sorge für gepflegte Landschaften, auf welche der Tourismus angewiesen sei. Sie garantiere eine dezentrale Besiedlung, biete Arbeitsplätze, kurble das Geschäft bei den vor- und nachgelagerten Branchen an und bringe den Gemeinden Steuereinnahmen.
Lobag-Präsident Hans Jörg Rüegsegger betonte, dass man nicht jammern wolle. Stattdessen wolle man gemeinsam mit weiteren Partnern nach Lösungen suchen, damit die Berner Landwirte eine Perspektive hätten.
Urs Zaugg, Vorsteher des Amts für Landwirtschaft und Natur, betonte, dass die Bauern heute Unternehmer seien, die entscheiden müssten, wie sie ihre Betriebe ausrichten wollten: voll auf Produktion, auf die Produktion in der Nische oder auf das Erbringen öffentlicher Leistungen beispielsweise. Das Emmental habe Potenzial. Es brauche eine Vision, wie dieses in Wert gesetzt werden könne.
Landwirt Ernst Aegerter hat bereits reagiert. Neu will er von Landschaftsqualitätsbeiträgen profitieren, eine entsprechende Anmeldung hat er bereits gemacht. Zudem überlegt er sich, beim Programm der „Graslandbasierten Milch- und Fleischproduktion“ mitzumachen, was ihm höhere Direktzahlungen einbringen würde.
Für die Berner Landwirte gab es im letzten Jahr weniger Direktzahlungen. Hatte der Bund im Jahr 2013 noch rund 570 Mio. Franken in den grössten Agrarkanton überwiesen, waren es 2014 mit der neuen Agrarpolitik 20 Mio. Franken weniger. Im Durchschnitt erhielt jeder Betrieb 700 Franken weniger. Regional sind die Unterschiede allerdings gross: Zu den Gewinnern der neuen Agrarpolitik gehören Bauern im Berner Oberland und im Berner Jura, die höhere Beiträge erhielten. Weniger Bundessubventionen gab es hingegen für Bauern im Mittelland und in den Voralpen. |
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